Rottenberg

Hausnr. 1:
Es war einmal ein kleines Häuslersacherl mitten im Wald unterm Hessenstein zwischen Wolfertschlag und Sommerau. Verträumt, ohne Strom, ein Herzerlhäuschen am Rande des Weihers, eine Quelle versorgte das Vieh mit frischem Wasser und bot am Grand vorm Haus den Bewohnern Waschgelegenheiten. Ein Waldweg führte zum Sacherl, befahrbar mit Ochsengespann, ein Auto kam nur bei längerer Trockenheit durch.
Im Staatsarchiv Landshut konnte die Geschichte des Hauses bis 1820 zurückverfolgt werden.

Hausnr. 60:
Steuergemeinde Eppenschlag Ort „Rotten“ heißt es im Grundbuch. Beschrieben mit Wohnhaus, Stall und Stadl unter einem Dach, Backofen. Blutzehntfrei – also keine Abgabepflicht jedes 10. Huhnes oder jeder 10. Gans. 34 Tagwerk gehörten rund ums Anwesen dazu. Als Eigentümer war Josef Dick eingetragen. Nach der Größe des zwischenzeitlich umgebauten Stalles hatte die Familie vermutlich 2 Kühe und 2 Schweine, Hühner und Gänse. Auf den ehemaligen Feldern (jetzt aufgeforstet) wurde Roggen, Hafer, Kartoffeln angebaut. Als Zuerwerb war Herr Dick als Holzhauer tätig. Vielleicht hat er für einen gelegentlichen Festtagsbraten auch mal „g`wuidlt“. Beim Umbau wurden nämlich in der Stalldecke zwischen Fichtenstangen und Laub einige Rehgeweihe gefunden.
Das älteste Foto des Hauses zeugt schon sehr von der Armseligkeit der Häusler – vielleicht waren sie aber zufriedener als manch einer von uns heute. Mit Schindeln gedeckt, eingeschwert mit Feldsteinen, der „Schrout“ nicht ganz einfach zu begehen, ein kleiner Hund bewachte die Idylle, hielt den Fuchs auf Abstand, Hackstock und Sägebock stehen bereit zum Brennholz machen. Aber Geranien zieren drei Fenster!
Am 8. Juli 1845 verkauft Joseph Dick zu Rotten sein Häusleranwesen an Max Rechenmacher, Bräuerssohn zu Eppenschlag ohne weitere Veränderung. Max ist ein Urahn von Antonia Rechenmacher, verh. Bauer, der Eigentümerin des Sacherls, bevor es an ihren Sohn Anton Bauer, Kirchdorf übergeben wurde.
Das Haus stand schon vor 1820 (um die ältere Geschichte zu erforschen, müsste in den Kirchenbüchern geblättert werden), wann es aufgestockt wurde, kann nicht festgestellt werden.
Menschen, Familien, Tiere hat das Haus jedenfalls schon viele gesehen. Manch einer hat sich in das „Hexenhaus“ (so wurde es von Oma Fürst aus Daxberg genannt) verliebt, hat die Ruhe genossen oder Unterschlupf gefunden nach dem großen Krieg. Familie Haider aus dem Sudetenland hatte als Flüchtling hier bis in die 60iger Jahre eine Bleibe. Für die 1-2 Jahre hat das Haus auch einen Förster a. D. aus dem Oberland bewohnt – eine Auszeit genommen. Richtig Leben eingehaucht bekam das Anwesl wieder ab 1966. Der Reitverein Regen unter Regie von Leo Dirmaier gestaltete die Innenräume etwas wohnlicher und feierte am 10.4.1966 Einstand. Das Sacherl wurde für den Verein ein geselliger Mittelpunkt. Ziel für Ausflüge per Pferd – ein „Heileit“. Höhepunkt war im Rhythmus von 14 Tagen ein Wochenendbesuch mit meist 20 Pferden. Jugendliche aus Frankreich und Deutschland absolvierten einen Reitkurs in Regen im Rahmen des deutsch-französischen Jugendaustausch (von der Bundesregierung finanziert) – zum Abschluss der Ritt nach Rottenberg. Ein jähes Ende: Regierungswechsel, die Bezuschussung fiel weg. Rottenberg vereinsamte wieder. 1978 entdeckte ein Bürger aus Regen die Liebe zu Rottenberg. Er pachtete das Anwesen und steckt seit dieser Zeit mit viel Liebe zu allem Alten einiges an Geld und Freizeit in das Objekt – ein Hobby das befriedigt.
Nachdem der am Haus angebaute Stadl die Schneelast nicht mehr tragen konnte, so wurde 1980 ein etwa ebenso alter, wie das Haus, Getreidekasten aus Bischofsmais an seine Stelle gebaut. Bald darauf wurde das Plumpsklo von einem Spülklosett im Haus abgelöst. 2000 kam Strom ins Haus, 2001 eine gemütliche Sauna aus uralten handgehauenen Balken eingebaut, 2004 der Backofen restauriert, 2005 die Grundmauer erneuert, 2005 das Ziegeldach durch ein Blechdach ersetzt, weil dem Dachstuhl die Ziegel zu schwer wurden. 2008 ist der Küchenherd von einem Sesselofen abgelöst worden. Nach einem Strohlager im Obergeschoß sind 18 einfache Betten gebastelt worden. Die waren notwendig, weil seit 1978 in den Ferien Voltigier Gruppen mit Pferd das romantische Fleckchen genossen. Von Ansbach bis Starnberg sprach sich das herum und sie kamen mit Begeisterung. Außerdem hatte und hat das Haus Besuch von Gästen zu Geburtstagsfeiern, Sommerfesten, Sitzweilern, Junggesellenabschieden, Ehemaligentreffen, Vereinsfeiern und war auch schon „Austragungsort“ für eine Hochzeit. Seit 30 Jahren wird in der Adventszeit Sitzweil mit Musik, Gesang und Lesungen gefeiert.
Doch nicht alles ist gut. Die Quelle ist müde. In den letzten 3 Jahren spuckte sie ab Juli bis zur Schneeschmelze kein Wasser mehr in den Granittrog (er stammt aus Rohrbach bei Regen). In dieser Situation lernt jeder die Lebensgrundlage des Wassers kennen. Trotzdem, wenn das „Haiderhaus“, wie es von den alten umliegenden Familien genannt wird, weiter so mit Liebe gepflegt wird, bleibt es ein Juwel, bleibt es ein Märchen für noch viele Generationen, ein Schatz im Waldmeer auf einer Märchenwiese.
Text/Foto: Herr Lukaschik