Wolfertschlag

Die folgenden Zeilen sind all denen gewidmet, die beim Bau der Dorfkapelle tatkräftig mitgeholfen haben und denen, die die Finanzierung der Kapelle ermöglichten. Diese Zeilen sollen aber auch allen übrigen Lesern einen Eindruck von unserm Dorf vermitteln, der nachhaltig im Gedächtnis haften bleibt.

Unser schmuckes, unterm Daxstein gelegene Dorf entstand wahrscheinlich im 18. Jahrhundert, während des großen Landesausbaues als Waldrodung (daher: Schlag) eines Wölflein. Die damaligen Rodungen waren notwendig geworden, weil das altbestellte Ackerland im Laufe der Zeit nicht mehr reichte. Erstmals im Jahr 1395 wird das Dorf urkundlich im Halser Salbuch erwähnt. Damals hieß es noch „Wölfleinschlag“ oder „Wolflschlag“, der Dorfanger (Zentrum) war bereits in der jetzigen Form ausgebildet. 1417-1438 hieß es Wolflseinslag, 1524 Wolflschlag, 1577 Wölfflezschlag. Die heutige Namensform wurde erst im 18. Jahrhundert gebildet. Das Bestimmungswort ist die Verkleinerungsform des althochdeutschen Personennamens Wolf.

Die Waldsiedlung lag in der Herrschaft Bärnstein (einer Burg in Grafenau – heute noch sichtbar), die wiederum eine Verwaltungseinheit der ausgedehnten Adelsherrschaft Hals (bei Passau) war. Das Dorf gehörte zunächst zur Pfarrei Schönberg, ab 1787 zur Pfarrexpositur bzw. Pfarrei Oberkreuzberg. Unser Dorf bestand ursprünglich aus acht Bauerngütern.

Spätestens im 14. Jahrhundert, vielleicht als Folge der mitteleuropäischen Pestkatastrophe von 1348/49, ist das halbe Dorf verödet. Das Halser Salbuch aus dem Jahr 1395, das in einer Abschrift aus dem frühen 16. Jahrhundert im Bayer. Hauptstaatsarchiv München erhalten geblieben ist, führt in Wolfertschlag vier Bauern auf, die sich die Grundstücke der acht Güter teilten, so dass also jeder Bauer zwei Güter bewirtschaftetet. Es heißt dort:

„Wölfeinsschlag im Seidlensamt“ der Herrschaft Bärnstein mit „8 Guet, die haben 4 Mann innen“, nämlich: Andre, Hannsl sein Sohn, Peter und Kerschbaum.

Die damaligen Grundherren waren bei der Erhebung von Steuern ebenfalls schon so erfinderisch, wie unsere derzeitige Regierung. So mussten die Bewohner von Wolfertschlag damals an die Grafen von Leuchtenberg als Halser Grundherrschaft nachstehende Abgaben leisten:

Maisteuer: 40 Regensburger Pfennige
Herbststeuer: 60 Regensburger Pfennige
Mahdsteuer: 4 Regensburger Pfennige
Insgesamt also: 104 Regensburger Pfennige sowie
4 Metzen Hafer als Dienst und
2 Metzen als Nachtselde (Ablösung für Beherbergungspflicht),
16 Hühner und
4 Kitzlein (junge Ziegen) sowie
den Zehent vom Getreide (wovon zwei Teile die Grundherrschaft, 1/3 der Pfarrer erhielt)

Das nächste, leider undatierte Abgabenverzeichnis aus der Zeit zwischen 1417 und 1438 nennt folgende Namen der vier Bauern zu „Wolfseinslag“:

Hansel Kroner,
Ull(rich) Stadler,
Peter Langs Sohn und
Peterl Kurz.

Im Jahre 1438 gelangte Wolfertschlag mit der gesamten Herrschaft Bärnstein in das Herzogtum Bayern. Die Bauern besaßen damals ihre Höfe zu Erbrecht. Herren ihres Grund und Bodens wurden sie erst ab 1848.

Die derzeit ältesten Gebäude des Dorfes sind:
-    der Troidkasten (beim Anwesen Macht) erbaut 1826 – unter Denkmalschutz –
-    sas Anwesen Max Buchecker erbaut ca. 1830-1850

Die übrigen damals bereits vorhanden Gebäude wurden durch Brandkatastrophen zerstört und neu aufgebaut.
Damals gab es noch keine Neubauviertel, wie heute im Nordwesten und Nordosten des Dorfes. Das dörfliche Leben spielte sich im Dorf, also im Zentrum ab.

Wolfertschlag, das „erneuerte“ Dorf, wurde nicht erst durch die Flurbereinigung und Dorferneuerungsmaßnahmen aus dem „Dornröschenschlag“ wachgeküßt!
In unserem Dorf war schon immer Platz und Zeit für Geselligkeit, gemeinsame Vorhaben und Hilfsbereitschaft. Dass diese positiven Eigenschaften der Dorfbewohner nicht immer sofort einem Außenstehenden erkennbar sind, ist nur natürlich. Auch in der Landesgeschichte und im Umgang mit Mitmenschen gibt es Höhen und Tiefen. Wenn es aber darum ging und geht, gemeinsame Vorhaben zu verwirklichen oder Hilfe in Katastrophenfällen zu leisten, konnte und kann immer auf die Mithilfe aller Dorfbewohner gezählt werden. Dies dokumentiert eindrucksvoll die Bilder über den Bau der Dorfstraße, die Errichtung des Feuerlöschteiches und die Errichtung der Dorfkapelle.

Viele Dorfbewohner der jüngeren Generation können sich noch gut daran erinnern, dass es üblich war, den Schulweg in den Wintermonaten auszuschaufeln, denn damals war die Straße nach Mühlberg/Oberkreuzberg noch nicht befestigt, kein Schneepflug vorhanden, die Winter aber strenger und schneereicher. Es fuhr auch kein Schulbus, der uns Schüler zur Schule befördert hätte – heute einfach undenkbar! Der tägliche Schulweg – vor allem in den Wintermonaten – wurde zu einem Erlebnis besonderer Art. Auch der Besuch des Rorates in der Adventszeit mit den Laternen war – im nachhinein betrachtet – eine romantische Angelegenheit, wenn man dazu auch sehr früh aufstehen musste.

Nach den Schilderungen verschiedener älterer Dorfbewohner war am nördlichen Dorfeingang sogar eine Kegelbahn vorhanden; auch Waldfeste wurden im sogenannten „Schuilehrerwiesl“ abgehalten. Maibäume aufgestellt und Feiern aus jeglichen Anlass durchgeführt (so z.B. die sogenannte „Lichfeier“ – aus Anlaß der Elektrifizierung des Dorfes oder die Faschingshochzeit im Gasthaus in Holzmühle). Die letzte Sonnwendfeier mit Musik fand in den 60`er-Jahren beim Anwesen Seitz statt und dauerte bis in die frühen Morgenstunden.

Die Dorfbewohner verstanden sich immer schon hervorragend darauf, Feste jeglicher Art zu feiern. Der im Dorf vor einigen Jahren gegründete „Woifadschlöga-Stammtisch“ führt diese Tradition weiter und sorgte – vor allem bei der jungen Dorfbevölkerung – schon für rauschende Feste.
Ausgeheckt wurden die Pläne hierzu im Blockhaus von H. Ulrich (dem heutigen Festbüro) oder im Stammlokal „Grillstube Zur Waldheimat“ in Palmberg (leider ist im Dorf kein Gasthaus vorhanden).

Wolfertschlag muss in früheren Zeiten ebenfalls bereits über die Gemeinde- und Pfarrgrenzen hinaus bekannt gewesen sein. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die alten Fotos der Anwesen Garhammer Alfred, Steininger/Fürst und Wallner von einem tschechischen Fotografen aus Prag erstellt wurden. Fotografen gingen im 19./20. Jahrhunder auf Wanderschaft. Leider lässt sich ein exaktes Datum der jeweiligen Aufnahmen nicht mehr rekonstruieren.

Aber auch aus religiöser Sicht braucht das Dorf den Vergleich mit anderen Ortschaften nicht zu scheuen. Betreut wurde Wolfertschlag seit 1787 von der Pfarrei Oberkreuzberg aus. Das Dorf war aber bereits im Jahr 1546 bis über die Donau hinaus bekannt, denn – glaubt man den Schilderungen des promovierten Volkskundlers Dr. Reinhard Haller – so hat das Ochsenfuhrwerk mit dem im nahe gelegenen Oberkreuzberg bestatteten Seligen Härmann in Wolfertschlag ein letztes Mal angehalten, bevor es dann in Oberkreuzberg am Platz der heutigen Pfarrkirche endgültig angehalten hat (vgl. Reinhard Haller, Legenden aus dem Bayerischen Wald – Nr. 56 m.w.N; Verlag Morsak Grafenau). Auch das im Pfarrbüro Oberkreuzberg vorhandene Archiv (Taufbuch, Sterbebuch usw.) aus dem Jahr 1795 belegt die Existenz der Ortschaft Wolfertschlag und gäbe einem Ahnenforscher sicher ein reiches Betätigungsfeld für seine Studien

Beim Anwesen Alfred Garhammer wurden bereits vor dem Krieg Maiandachten gehalten (vor dem großen damals vorhandenen Kreuz an der Nordseite des Gebäudes).
Ein Glockenturm mit Glocke war im Anwesen Max Garhammer vorhanden.
Zu erwähnen ist auch die beim Anwesen Steininger/Fürst früher vorhandene Kapelle mit zahlreichen Votiv-Tafeln.
An den Bittgängen z.B. nach Eppenschlag und Schönberg hat sich das Dorf immer sehr zahlreich beteiligt. Für diese Volksgläubigkeit wurde nunmehr Raum in der neu errichten Dorfkapelle geschaffen.

Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur das gesellige Leben im Dorf, sondern auch der Glaube der Dorfbewohner durch die Kapelle neu motiviert und belebt wird.     

Text/Foto: Heinz Aigner